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2025-04-25T02:41:00Z

„Er ist mein Ehemann“: Wenn der Pfarrer mit seinem Partner im Pfarrhaus lebt
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Der Augsburger Pfarrer Bernhard Offenberger © Sonntagsblatt/Offenberger
Bernhard Offenberger lebt ein Leben, das noch vor wenigen Jahrzehnten in der evangelischen Kirche kaum denkbar gewesen wäre. Der Augsburger Pfarrer wohnt mit seinem Ehemann im Pfarrhaus – ohne große Widerstände. Eine größere Herausforderung erleben seiner Meinung nach andere.
Der Alltag von Pfarrer Bernhard Offenberger ist geprägt von seelsorgerischer Arbeit, Gottesdiensten, Jugendarbeit und Gemeindeleben, aber auch von der Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich die evangelische Kirche gegenüber queeren Menschen positioniert.
Ein langer Weg zur Akzeptanz
Die evangelische Kirche in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten große Schritte in Richtung Gleichberechtigung gemacht. Noch in den 1990er-Jahren war es undenkbar, dass homosexuelle Pfarrerinnen und Pfarrer offiziell mit ihren Partnern im Pfarrhaus wohnen durften.
Erst 2010 entschied die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, dass homosexuelle Geistliche in einer eingetragenen Partnerschaft gemeinsam im Pfarrhaus leben dürfen – allerdings nur mit Zustimmung des Kirchenvorstands. Auf der Landessynode 2023 wurde diese Zustimmungsregelung erst ausgesetzt und später sogar ganz abgeschafft.
Für Bernhard Offenberger kam diese Änderung zu spät. Als er mit seinem Partner zusammenziehen wollte, musste die Dekanin persönlich den Kirchenvorstand um Zustimmung bitten. „Es war ein absurder Besuch“, erinnert er sich. „Der Kirchenvorstand war ganz verwirrt, warum er dabei überhaupt ein Mitspracherecht hatte, und stimmte schließlich einstimmig zu.“
Generell war seine Homosexualität in der Gemeinde nie ein großes Thema, geschweige denn ein Problem gewesen und auch im Vikariat waren seine Erfahrungen durchweg positiv. „Es gab ein paar Gemeindemitglieder, die sich von der Gemeinde wegen mir distanziert haben, bevor ich mein Vikariat begonnen habe, aber das war schon alles.“ Die Kirchenleitung hatte gut darauf geachtet, für ihn eine passende Stelle zu finden. Und so kam er nach Augsburg und blieb.
Partnerschaft Dieser Artikel erscheint in Partnerschaft mit sonntagsblatt.de, dem evangelischen Online-Magazin, das täglich aktuelle Artikel und Nachrichten, Meldungen, Reportagen und Hintergrundberichte zu Religion, Glaube, Politik, Gesellschaft, Kultur und Soziales liefert.
Das Pfarrhaus: Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit und Rückzug
Das Leben eines Pfarrers bewegt sich oft im Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Früher galt das Konzept des „offenen Pfarrhauses“ als Selbstverständlichkeit – ein Ort, an dem die Tür für Gemeindemitglieder immer offenstand. Doch dieses Prinzip wird mittlerweile kritisch hinterfragt.
Bernhard Offenberger erlebt in seiner Gemeinde in Augsburg eine angenehme Balance. „Die Gemeinde ist sehr diskret, ich habe ausreichend Privatsphäre“, sagt er. Zwar liegt das Pfarrhaus direkt im Gemeindekomplex, doch wenn jemand zu ihm kommt, kann er die Person in die Gemeinderäume führen, ohne sein eigenes Zuhause öffnen zu müssen.
„Trotzdem bin ich mir bewusst, dass mein Name auf dem Klingelschild steht – wer hier wohnt, ist also kein Geheimnis.“ Doch vollkommen abgrenzen möchte er sich nicht. Besonders gerne erinnert er sich an die große Freude und Anteilnahme seiner Gemeinde, als er seinen Mann in der Kirche heiratete.
Akzeptanz über Generationen hinweg
Die Akzeptanz in seiner Gemeinde ist groß – und das über alle Generationen hinweg. Zwar weiß Offenberger, dass die Situation mancherorts oft noch konservativer ist, doch in seinem Alltag begegnet ihm keine Ablehnung. Vielmehr erlebt er vor allem Unsicherheiten, zum Beispiel bei Begrifflichkeiten: Wie nennt man den Partner seines Pfarrers? Seine Antwort darauf gibt er immer ganz klar: „Er ist mein Ehemann.“ Für ihn ist die Wortwahl nicht nur eine Frage der Bezeichnung, sie ist bedeutend.
Besonders in der Arbeit mit jungen Menschen spürt er, welchen Einfluss die Sichtbarkeit von Queerness hat. Während seiner Amtszeit hat sich in der Gemeinde eine Gruppe queerer Christen gebildet. Anfangs trafen sie sich in seinem Wohnzimmer, mittlerweile nutzen sie die Gemeinderäume – ein sichtbares Zeichen dafür, dass die evangelische Kirche ein Safe-Space für junge queere Menschen sein kann.
„Ich habe das Gefühl, ich trage gar nicht so viel dazu bei“, sagt er bescheiden. „Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit.“ Dabei sei es ihm wichtig, seine eigene Identität nicht zu verstecken – aber auch das andere Extrem, darauf reduziert zu werden, trifft bei ihm nicht zu.
Die wahre Herausforderung: Unverheiratet im Pfarrhaus leben
Während sein Leben als verheirateter Pfarrer mit einem gleichgeschlechtlichen Partner akzeptiert wird, sieht Offenberger ganz andere Herausforderungen in den Wohnregelungen der Kirche. Landeskirchenweit gibt es nämlich eine Regelung, die besagt, dass nur verheiratete Paare im Pfarrhaus leben sollen. Diese Regelung wird zwar je nach Dekanat unterschiedlich streng ausgelegt, doch in manchen Fällen setzen sie Beziehungen enorm unter Druck.
Offenberger spricht von einer Hypothek auf der Beziehung, welche oftmals belastend werden kann, oder Menschen vorschnell Entscheidungen treffen lässt, für die sie noch nicht bereit sind. „Es ist eine Regelung, die die Ehe hoch schätzen sollte, aber sie passt nicht mehr in unsere Lebenswelt“, sagt er. Er wünscht sich mehr Behutsamkeit und vor allem mehr Vertrauen in die Betroffenen.
Herausforderungen und Hoffnungen für die Zukunft
Generell ist die Arbeit für die Queer-Sensibilität noch nicht am Ende. Immer noch sind die heteronormativen Strukturen weit verbreitet und fest verankert. Außerdem gibt es starken Nachholbedarf im Umgang der Kirche mit Transpersonen, wie Offenberger erklärt.
„Hier gibt es noch viel Nachholbedarf. Die Kirche muss anerkennen, dass in ihr in der Vergangenheit Unrecht geschehen ist.“ Überhaupt wünscht er sich, dass die Kirche einen ehrlichen Blick auf geschehenes Unrecht nimmt, um daraus für die Zukunft zu lernen.
Doch nicht nur innerkirchlich gibt es Herausforderungen. Mit Sorge beobachtet Offenberger politische Entwicklungen in Ländern wie Italien, Ungarn oder Österreich, wo gesellschaftliche Errungenschaften für queere Menschen wieder zurückgedrängt werden. „Genau da darf die Kirche nicht mitspielen“, warnt er. „Die erarbeitete Sensibilität darf nicht vorschnell wieder über den Haufen geworfen werden.“
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Angela Thompson
Source of the news: merkur.de