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2025-04-25T04:00:00Z

Berlin. Der Schauspieler und Musiker kommt mit neuem Programm nach Berlin. Ein Gespräch über die Boomer-Generation und das Leben als Vater.
Krimi war gestern. Statt auf Mord und Totschlag setzt Schauspiel-Star und Musiker Stefan Jürgens längst auf das schönste Gefühl der Welt: die Liebe. Nicht nur privat mit seiner zweiten Frau Boriana, sondern auch auf der Bühne. Am Montag feiert sein neues Programm „Liebe! (erstmal Dich selbst…)“ im Renaissance-Theater Berlin-Premiere. Ein Abend mit neuen gefühligen Songs, kluger Poesie und selbstironischer Stand-up-Comedy. Was „Liebe!“ mit toxischer Männlichkeit zu tun hat und warum die Boomer auch mal auf die jüngere Generation hören sollte, verrät der 62-Jährige im Gespräch.
Herr Jürgens, ist das neue Programm die zwingende Fortsetzung nach Ihrem Lyrikband „Love Letters“ und der Leseperformance „Nenn‘ es Liebe“?
Stefan Jürgens: Nein, aber es ist die zwingende Antwort für mich auf die Zeit, in der wir leben. Wir sind jeden Tag konfrontiert mit lauter Katastrophenmeldungen. Es wird immer verrückter, undurchsichtiger und unangenehmer. Man hat das Gefühl, man kommt gar nicht mehr zur Ruhe. Das Programm ist auch die Aufforderung an sich selbst, ein beruhigendes Gegengewicht zu suchen. Das kann nur Liebe sein. Und zwar in jeder Hinsicht: Liebe zu sich selbst, Liebe zu anderen, Liebe zu den Dingen, die einen umgeben. Dabei geht es aber nicht um den totalen Rückzug ins Private, sondern darum, dem politischen und gesellschaftlichen Wahnsinn etwas entgegenzusetzen, der mittlerweile allgegenwärtig ist und der sich durch ganz verschiedene Autokraten wie ein Schleier auf unsere Welt gelegt hat. Er bestimmt mehr und mehr unser Denken. Dagegen muss man sich gegen wehren.
Der Titel sagt es ja schon, es geht nicht nur die romantische, sondern auch um die Eigenliebe. Wie sieht es denn mit Letzterer bei Ihnen aus?
Ich bin mit 62 Jahren an einem Punkt, an dem ich sage, ich möchte gerne meinen Frieden mit mir selber schließen, mit all den Kämpfen, die man gehabt hat und die natürlich auch immer noch im Gange sind. Man blickt zurück, man schließt Kreise, man versucht sich liebevoller zu betrachten, die Leistungen, aber auch die Fehler. Ich versuche auch mich immer daran zu erinnern, dass das Leben endlich ist, um die eigene Fähigkeit des Genusses zu stärken und zu fördern. Denn es gibt viele schlechtere Möglichkeiten als bei uns, wie man leben könnte. Da kann man auch mal das Wort Demut benutzen, um zu schauen, was habe ich erreicht, wie geht es mir eigentlich, was haben wir vielleicht auch zu verantworten.
Zur Person: Stefan Jürgens Geboren 1963 in Unna, besuchte Stefan Jürgens 1983 bis 1986 die Westfälische Schauspielschule in Bochum. Bekanntheit erlangte er 1993 als Gründungsmitglied der Comedy-Show „RTL Samstag Nacht“. 1999 und 2000 verkörperte er in sechs Folgen den Berliner „Tatort“-Kommissar Robert Hellmann. 2003 veröffentlichte er mit „Langstreckenlauf“ das erste seiner sieben Alben. Ab 2007 spielte er 14 Jahre lang Major Carl Ribarski in der deutsch-österreichischen Serie „Soko Wien“. Seit seinem Ausstieg 2021 steht er vor allem auf der Bühne. Im Renaissance-Theater war er zuletzt als „Tartuffe“ zu sehen. In seinem neuen Programm „Liebe!“ steht der Entertainer und Liedermacher, der sich auch selbst am Flügel begleitet, mit dem Gitarristen Matthias Kahra auf der Bühne. Stefan Jürgens lebt in Berlin und Brandenburg.
Sind Sie denn mit sich selbst im Reinen?
Im Großen und Ganzen bin ich das tatsächlich. Es sind ein paar Schritte passiert in meinem Leben. Darum geht es auch im Programm, das sich ja auch um meine eigene Generation dreht, die Boomer, die mit dem Münztelefon begonnen haben und wahrscheinlich mit dem Marsflug enden werden. Das ist eine ziemlich lange Strecke. Da kann man unterwegs auch mal stecken bleiben. Wir haben eine große technologische und gesellschaftliche Entwicklung hinter uns bringen müssen. Wir sind zu Recht oft kritisiert worden, haben aber gleichzeitig auch eine Menge auf den Weg gebracht. Unsere Generation hat bislang immer noch alle Fäden in der Hand. Da können wir uns ruhig den einen oder anderen Gedanken darüber erlauben, dass vielleicht nicht alles ganz so toll war, was wir geschafft haben, und vor allen Dingen, dass wir auch nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen haben.
In der Ankündigung zum neuen Programm versprechen Sie dem Publikum schon vorab, dass der Abend guttun wird. Was erwartet die Zuschauer denn?
Zuversicht, Hoffnung und eine Bestandsaufnahme dessen, was wir haben. Wir haben in diesen Zeiten ja auch medial dauernd den Fokus auf die Katastrophen um uns herum. Aber wir können uns auch darauf konzentrieren, was eigentlich in unserem Leben funktioniert, wie wir leben dürfen und wie viele Dinge uns umgeben, die uns glücklich machen. Denn das größte Ziel des Menschen sollte es ja sein, glücklich zu sein. Das heißt, nicht egozentrisch zu sein. Glück ist etwas, das man teilen kann, was man miteinander erlebt. Das Programm sucht diese guten Momente, die Verständigung, aber vor allem auch die gut tuende Selbstironie. Den Humor und die Bereitschaft, sich selbst nicht immer so schrecklich ernst zu nehmen. Das hat auch was mit toxischer Männlichkeit zu tun.
Inwiefern?
Wir Boomer-Männer sind die letzte Generation, die noch die herkömmlichen, traditionellen Erziehungsmethoden erlebt hat. Mit Vätern, mit denen man nicht geredet hat in der Jugend, weil die Väter damals ihre Emotionen nicht leben konnten. Das hat unsere Entwicklung der letzten 30, 40 Jahre geprägt. Aber wir haben auch eine Menge gelernt und hatten die Chance, uns daraus zu befreien. Daher ist „Liebe!“ auch der Blick eines 62-jährigen Mannes aufs Leben, der beschreibt, wie er seine Welt sieht und in ihr sehr viel Schönes entdecken kann.
Dabei geht es auch um Ihre Rolle als Vater. Sie haben vier Kinder. Wie haben Sie sich eigentlich bislang als Vater erlebt?
Von Kindererziehung wusste ich nicht viel. Von einem modernen Vater-Sohn- oder Vater-Tochter-Bild habe ich von zu Hause nicht viel mitbekommen. Daher schafft man sich vieles selber darauf. Was mir immer wichtig war, war der Kontakt, die Auseinandersetzung und Gesprächsfähigkeit mit den Kindern. Das ist mir, glaube ich, gelungen. Meine Kinder sind ja mittlerweile alle über die 30 und wir haben heute ein sehr schönes emotionales und intensives Verhältnis miteinander. Das ging natürlich nicht konfliktfrei ab. Meine Biografie ist ja auch alles andere als geradlinig, was meine familiäre Geschichte angeht. Ich bin zum zweiten Mal verheiratet. Daher gab es in der Familie mal einen großen Bruch, den die Kinder hautnah erlebt haben. Dafür musste ich mich bei meinen Kindern schon mehrmals entschuldigen. Diese Bereitschaft und Offenheit hat mir sehr dabei geholfen, mit meinen Kindern in schwierigen Situationen in Kontakt zu bleiben. Das zahlt sich heute aus.
Sie haben letzten September zum zweiten Mal geheiratet. Mit 61 Jahren. Geht man da entspannter in die Ehe?
Aufgeregt wie immer. Aufgeregt, fröhlich und glücklich! Auf gar keinen Fall entspannter. Wenn ich über etwas froh bin, dann über meine Fähigkeit, Leidenschaft zu empfinden. Das, was ich will, und das, was ich fühle, muss ganz genauso explodieren wie vor 40 Jahren.
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Im Programm schlagen Sie den ganz großen Bogen zurück bis zu ihrer Geburt und hinein bis in die Gegenwart. Haben Sie sich dabei manchmal gefragt, ob früher etwas besser war als heute?
Ehrlich gesagt, daran habe ich gar nicht gedacht. Ich versuche vielmehr herauszufinden, was heute gut funktioniert. Und weil die Zeiten nicht miteinander zu vergleichen sind, sehe ich die Möglichkeit der emotionalen Auseinandersetzung, der Bereitschaft, sich zu öffnen. Liebe erstmal dich selbst, heißt es ja auch in Bezug auf mich als Mann. Emotional loszulassen und nicht den präpotenten Macker zu markieren, der alles kann, ist eine unglaubliche Befreiung. Da sind wir aber auch wieder mitten im Generationenkonflikt. Wir Boomer-Männer in den Sechzigern neigen ja dazu, immer noch zu glauben, wir könnten alles besser. Die Wahrheit sieht aber ganz anders aus. Wenn wir mal schauen, was wir in den letzten 30 Jahren aus dieser Welt gemacht haben, ist das nicht unbedingt nur lobenswert. Soviel Selbstkritik darf sein.
Die Boomer sind also an allem schuld?
Das ist damit nicht gemeint. Nur können wir uns auch an die eigene Nase fassen und nicht immer darüber schimpfen, dass die junge Generation nur noch an Work-Life-Balance denkt. Die sind in einer Welt aufgewachsen, die wirklich kompliziert für sie ist. Da kommt man mit einem Beruf alleine nicht mehr durchs Leben wie wir früher. Das Leben hat sich auf eine Art und Weise verändert, dass wir nicht unbedingt die besten Ratgeber für manche Situationen sind. Unsere Eltern haben uns ja früher auch als faul und gefräßig bezeichnet. Ich glaube, dass es angeraten ist, geduldiger mit sich selber zu sein und zu akzeptieren, dass man bestimmte Dinge nicht mehr versteht und die auch vielleicht gar nicht mehr verstehen muss. Da sollten wir mehr auf die Jüngeren hören.
Renaissance-Theater, Knesebeckstr. 100, Charlottenburg, Tel. 312 42 02, 28.4., 19.30 Uhr
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